Ein Mann lächelt in die Kamera.

Wenn die Kraft fehlt

Über das Lernen, sich wieder zu bewegen

Kraft

„Es war ein verschneiter Tag Ende Januar; ich habe die Straße geräumt und wollte irgendwas im Garten machen“, erinnert sich Martin Kremser an den Tag, der sein Leben veränderte. Danach fehlen dem Verwaltungsleiter der MARIENBORN Pflege St. Augustinus in Frechen-Königsdorf eineinhalb Wochen in seiner Erinnerung.

Was war passiert? Das weiß keiner so genau. Fest steht, dass er im Garten bewusstlos aufgefunden wurde. Nach befundloser neurologischer Untersuchung setzte man ihm zur Vermeidung möglicher Sturzfolgen eine Drucksonde am Kopf ein. In der darauffolgenden Nacht versuchte er jedoch, die Drähte aus dem Kopf zu ziehen. Daraufhin beschlossen die Ärzte, ihn in ein künstliches Koma zu versetzen. Als Martin Kremser nach zehn Tagen erwachte, fehlte ihm jegliche Kraft und er musste wieder lernen, sich zu bewegen. 

Keine Kraft wie früher

Sein Körper zeigte ihm schnell Grenzen auf – schon ein zehnminütiger Spaziergang ermüdete den durchtrainierten Sportler auf eine Art, die er zuvor nicht kannte. „15 Minuten auf dem Rad bei 70 Prozent Wattleistung – darüber hätte ich vorher gelacht. Jetzt strengte mich das plötzlich an. Rücksicht auf mich zu nehmen, kannte ich bisher nicht; das musste ich jetzt lernen. Ich denke zum Glück nicht darüber nach, wie ich mich bewege“, so Martin Kremser heute. „Mittlerweile geht auch wieder ein zweistündiger Spaziergang, aber manchmal stresst es mich, dass es nicht mehr so ist wie früher. Es geht mir einfach auf die Nerven, dass mir seitdem immer mal wieder was wehtut und die Dinge, die ich mache, mir nicht mehr so schnell von der Hand gehen. Arm und Schulter schmerzen zum Beispiel beim Tragen eines Wasserkastens. Wenn ich die Grenze nicht spüre, habe ich allerdings auch keine Chance, dagegen anzuarbeiten. Nur wenn ich diese Grenze spüre, entwickelt oder verbessert sich etwas.“ 

Martin Kremser nahm auch Einsicht in die Arztberichte und versuchte, Erinnerungsfetzen zusammenzufassen. „Nachdem ich realisierte, dass ich das Puzzle in meinem Kopf nicht zusammenbekomme, blieb mir nur noch die konstruktive Möglichkeit, es so anzunehmen, wie es ist.“ Der 58-Jährige merkt selbst, dass er ungeduldiger geworden ist – insbesondere mit seinem direkten Umfeld, weil seine Liebsten ihn natürlich schonen wollen. Das mag er gar nicht, obwohl er weiß, dass alle es gut meinen. Nach nur vier Monaten arbeitete er deshalb schon wieder. Lediglich der Arm und die Schulter, auf die er gefallen war, machen ihm noch Probleme. Seine Familie ist ihm eine große Stütze. Und Ziele für die Zukunft hat er auch wieder: Mit 65 möchte Martin Kremser in Rente gehen, nicht zuletzt deshalb, weil er bald zum ersten Mal Opa wird und Zeit mit seinem Enkel verbringen möchte. 

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