Ein Krankenwagen rast durch einen Tunnel.
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Die Notfallmedizin

Neue Struktur der innerklinischen Versorgung

Notfallmedizin

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) als Selbstverwaltungsorgan der Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen hat im Mai 2018 eine folgenreiche Entscheidung für die Notfallmedizin getroffen: Die Notfallversorgung in Deutschland soll umfassend reformiert werden. Welche Auswirkungen hat der Beschluss auf unsere Krankenhäuser? Welche Veränderungen kommen auf uns zu? Darüber haben wir mit Hilmar Dehne, Ärztlicher Leiter der Notfallambulanz im Severinsklösterchen, und Benjamin Orth, Ärztlicher Leiter der Notfallambulanz im St. Antonius Krankenhaus, gesprochen.

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Hilmar Dehne ist Ärztlicher Leiter der Notfallambulanz im Severinsklösterchen.

Der Beschluss des G-BA greift in ganz unterschiedliche Arbeitsfelder der Notfallmedizin ein. Was ist aus Ihrer Sicht möglicherweise die wichtigste Veränderung?

Hilmar Dehne: Eine grundlegende Neuerung ist die sogenannte Strukturierte Ersteinschätzung. Dabei handelt es sich um ein System, in welchem der Patient direkt nach dem Eintreffen in der Notfallambulanz von einer dafür ausgebildeten Person eingeschätzt wird. Hiernach richten sich die Dringlichkeit der Behandlung sowie die Behandlungsreihenfolge aller anwesenden Patienten. In unseren Einrichtungen greifen wir auf das Manchester Triage System zurück. 

Benjamin Orth: Die Triage hilft uns, die vielen Patienten mit ihren unterschiedlichen Krankheiten objektiver zu „begutachten“. So sorgen wir dafür, dass schwerstkranke Patienten auch die schnellste Behandlung erhalten.

Porträt eines Arztes
Benjamin Orth ist Ärztlicher Leiter der Notfallambulanz im St. Antonius Krankenhaus.

Bietet zukünftig jedes Krankenhaus die gleiche Notfallversorgung? 

Benjamin Orth: Das würde ich mit „Jein“ beantworten. Denn ein weiterer Punkt ist die Unterteilung der Krankenhaus-Notfallambulanzen in drei Kategorien: Basisversorgung, erweiterte Versorgung und Maximalversorgung. Um die Basisversorgung der Notfallmedizin gewährleisten zu können, müssen die Abteilungen für Innere Medizin, Chirurgie oder Unfallchirurgie eine Intensivstation mit mindestens sechs Betten und drei Beatmungsplätzen sowie ein Schockraum vorgehalten werden. Und mit der Festlegung, dass bei Bedarf spätestens 30 Minuten nach Einlieferung ins Krankenhaus der entsprechende Facharzt am Patientenbett stehen soll, ist der Facharztstandard in der Notfallambulanz zum ersten Mal festgeschrieben. Diesen Standard erfüllen alle Krankenhäuser unseres Verbunds. 

Hilmar Dehne: Da das Krankenhaus der Augustinerinnen weiterhin über eine Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe, einen Schwerpunkt im Bereich Pneumologie sowie über 34 Intensivbetten verfügt, gehört es zu den Kliniken mit einer erweiterten Notfallversorgung. Voraussetzung für diese Kategorie ist übrigens auch eine Aufnahmestation, auf der Patienten 24 Stunden überwacht werden können.

Was passiert, wenn ein Krankenhaus die genannten Anforderungen für Notfallmedizin nicht erfüllen kann? 

Hilmar Dehne: Dann muss das Krankenhaus trotzdem wie gewohnt Notfälle behandeln, muss aber mit finanziellen Einbußen rechnen. Deshalb versuchen alle Krankenhäuser, die Mindeststandards für die Notfallmedizin zu erfüllen. Daraus resultiert insgesamt eine Verbesserung der Notfallversorgung, was jedem Patienten zugutekommt.

Welche Konsequenzen hat die Reform für das Personal in den Ambulanzen? 

Benjamin Orth: Eine Neuerung, die uns beide persönlich betrifft, ist die Tatsache, dass die Notfallambulanz nun als eigenständige Fachabteilung geführt wird und die Leitung einem fachlich unabhängigen Ärztlichen Leiter obliegt. Und der Ärztliche Leiter muss die Zusatzweiterbildung „Klinische Notfall- und Akutmedizin“ absolviert haben. Die Mitarbeiter aus der Pflege sollen alle die Zusatzqualifikation „Notfallpflege“ besitzen. Letzteres ist derzeit noch ein Problem, denn diese Fachweiterbildung gibt es erst seit zwei Jahren und nur ein Bruchteil der Pflegekräfte hat sie bereits erfolgreich durchlaufen.

Es hört sich nach einem großen Umbruch an. Gibt es auch räumliche Veränderungen in der Notfallmedizin? 

Benjamin Orth: Im vergangenen Jahr haben wir mit dem Umbau der Notfallambulanz im St. Antonius Krankenhaus begonnen. Hinzugekommen sind nun zwei Triage-Räume, die von der Rettungswagenanfahrt und dem Warteraum zugänglich sind. Das ist das neue Herzstück der Notaufnahme. Gegenüber befindet sich die Chest Pain Unit mit vier Betten. So sind alle sensiblen Bereiche räumlich eng beieinander. 

Hilmar Dehne: Auch auf der Liste im Severinsklösterchen steht ein großer Umbau. Dafür muss in einem ersten Schritt die Liegendanfahrt verlegt und vergrößert werden. So ist genug Platz für eine bauliche Erweiterung der Notaufnahme. Wir planen ein Großraumkonzept mit Verlegung der zertifizierten Chest Pain Unit in die Notaufnahme sowie einer zusätzlichen Aufnahmestation, welche zunächst sechs Betten umfasst. Außerdem werden die derzeit genutzten Ambulanzräume modernisiert, sodass zukünftig alle Patienten in der Notfallmedizin zentral überwacht werden können.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Ann-Christin Kuklik, Leitung Stabsstelle Unternehmenskommunikation, Stiftung der Cellitinnen e.V., Köln.

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