Das Team der Intensivstation macht eine Dienstübergabe an einem Thresen.
Britt Schilling

Das Wir als Kraftquelle

Höhen und Tiefen während der Corona-Pandemie

Kraft

Covid traf 2020 die Welt völlig unvorbereitet. Krankenhäuser – wie auch das St. Agatha Krankenhaus – starteten Notfallpläne. Doch bereits im anfänglichen Lockdown war schnell klar, dass die Pandemie die Mitarbeitenden an die Grenzen ihrer Kräfte bringen würde.

Tanja Schmidt ist seit 21 Jahren Krankenschwester im St. Agatha Krankenhaus in Köln-Niehl. Sie traf die Pandemie wie ein Schlag ins Gesicht. Im März 2020 gehörte sie mit zu den Ersten, die sich aus Verantwortungsbewusstsein nach einem Kontakt mit einem infizierten Ischgl-Urlauber beim Gesundheitsamt anzeigte und in Quarantäne begab. Da sie damals nicht getestet wurde und die Symptome ausblieben, weiß sie bis heute nicht, ob sie Corona hatte. „Somit war mein Einstieg in diese Zeit schon kurios“, stellt sie rückblickend fest. 

Erfahrung schützt nicht vor emotionaler Überlastung 

Der Arbeitsplatz der 43-Jährigen ist die Intensivstation. Nach ihrer Rückkehr in den Dienst wurde es dort zunehmend anstrengend. Die Gefühle schwankten von „Wir schaffen das“ bis hin zu totalem Pessimismus. Allein das Anziehen und Tragen der Schutzkleidung war erschwerend. Natürlich spielte Angst eine große Rolle, aber auch der hohe Druck, der auf ihr lastete. Als Krankenschwester mit jahrzehntelanger Erfahrung hat sie den Anspruch und das Know-how, das Leben der Patienten gemeinsam mit ihrem Team zu retten und nicht, trotz jeglicher Anstrengungen, zuzusehen, wie immer mehr Menschen versterben. Als besonders belastend empfand Tanja Schmidt, die selbst Mutter und Ehefrau ist, die Zeit, in der die Angehörigen die Sterbenden nicht in den Tod verabschieden konnten. „Das zerriss mir das Herz.“ Dieses Gefühl verstärkte sich zusehends, sodass sie sich – zu Hause angekommen – schweigend erst einmal hinsetzen musste, um den vergangenen Diensteinsatz im wörtlichen Sinne zu verdauen.

Zwei Pflegekräfte in Schutzausrüstung lagern einen Patienten auf der Intensivstation.
Britt Schilling

Starkes Team der Intensivstation im St. Agatha Krankenhaus

„Ich habe mich durch diese schweren Zeiten gekämpft. Aber nicht alleine“, beschreibt Tanja Schmidt ihren kraftschöpfenden Prozess. Da sie während der Pandemie ihr Arbeitspensum anhob und viel mehr Zeit im Krankenhaus verbrachte, war das Team zu einer zweiten Familie geworden, ein Team, das sehr empathisch Trost spendete, motivierte und ein wichtiger Gesprächspartner war. Viele Kollegen kenne sie seit einer gefühlten Ewigkeit, weil es wenig Fluktuation im St. Agatha gebe. „Wir sind zusammen alt geworden und gehen auch gemeinsam durch diese Zeit“, fährt die Krankenschwester fort. Sie erleben das Gleiche und können sich in schwierigen Situationen austauschen und aufbauen.

Das Wir als Gemeinschaftsgefühl hat der Kölnerin in der Pandemie viel Kraft gegeben. Als es unerträglich wurde, nahm sie unterstützende und kraftspendende Gesprächsangebote innerhalb des Hauses an. „Es ist mir wichtig zu sagen, dass mir die Wertschätzung unseres täglichen Einsatzes durch den Arbeitgeber sehr viel bedeutet. Das ist wichtig fürs Gefühl. Wir waren auch als Team sehr dankbar, als zügig Ausnahmen zum Abschied im Todesfall gemacht werden durften – natürlich unter Einhaltung sehr hoher Sicherheitsmaßnahmen“, fügt Tanja Schmidt ergänzend hinzu. 

Ein Mann und eine Frau sitzen an einem Konferenztisch und unterhalten sich.
Britt Schilling

Eine gemeinsame Basis schaffen 

Der starke Zusammenhalt der Mitarbeitenden zeichnet das St. Agatha Krankenhaus aus; freundschaftlich bis familiär, so beurteilen die Mitarbeitenden das Arbeitsklima. Die einen sagen, es läge an der Größe und langjährigen Betriebszugehörigkeit, andere vermuten den eher empathischen Führungsstil der weiblichen Geschäftsführung dahinter. Aus diesem Zusammenhalt heraus erklärt sich möglicherweise auch die Gründung des Ethik-Cafés vor zehn Jahren, das zum Austausch in ethischen Fragen anregen soll und häufig von Mitarbeitenden besucht wird – nur leider nicht während der Pandemie.

Um während dieser Zeit trotzdem Austausch und Hilfestellung leisten zu können, passte sich das Ethik-Team schnell den Bedingungen an: Zunächst wurde über zwei Wochen ein Stimmungsbild bei den Mitarbeitenden eingeholt. Dann entwickelte sich das multiprofessionelle Healthcare-Team, das aus der Seelsorgerin des Hauses, Trauma-Therapeuten und Psychiatern bestand. Dieses Team bot entlastende und kraftschöpfende Gespräche zur Bewältigung der neuen und schwierigen Herausforderung an.

Seelsorgerin Vera Meyer erinnert sich gut an die Hochphasen der Corona-Pandemie, als Angehörige und Mitarbeitende sie aufsuchten, um sich Rat einzuholen oder ein aufbauendes Gespräch zu führen. Bereits beim regelmäßigen Gang auf die Intensiv- und Infektionsstation verspürte sie immer wieder die Anspannung, die hohe körperliche und seelische Belastung derjenigen, die stundenlang in Schutzkleidung und Isolierzimmern Erkrankte pflegten. Mitarbeitende beschrieben ihr, wie sie an ihre Grenzen kämen, wie ihnen der Bezug zu Angehörigen und damit die Beziehung zu beatmeten Patienten fehle und wie frustriert sie wären, vom unvorsichtigen Verhalten so vieler Menschen in der Öffentlichkeit. Parallel zu den so wichtigen Gesprächen wurde ein unterstützender Schriftsatz verfasst. 

Eine Pflegekraft reicht einem Patienten ein Getränk mit Strohhalm an.
Britt Schilling

Vorausschauend erstellte Yannick Esser, Psychologe für die Abteilung für Seelische Gesundheit und ebenfalls Teil des Healthcare-Teams, eine psychosoziale Handlungsstrategie für Gesundheitsfachkräfte im Rahmen der Covid-19- Pandemie. Diese gibt Handlungsempfehlungen im Prozess der Belastung, bei schwierigen Gefühlen, in der Kommunikation und für die Selbstfürsorge.

Darin enthalten ist beispielsweise eine Handlungsempfehlung zur mentalen Vorbereitung auf die Triage: Was können die Fachkräfte prophylaktisch und akut tun? Welche Gefühle und Reaktionen des Körpers und der Psyche sind normal und ab wann wird externe Unterstützung empfohlen? Als besonders herausfordernd stellte sich die Kommunikation mit den Angehörigen der Patienten heraus. Auch dies berücksichtigt die Handlungsstrategie. Mit diesen Maßnahmen konnte bereits frühzeitig ein Sicherheitsnetz gespannt werden, um psychischen Überlastungen bei den Mitarbeitenden entgegenzuwirken. Dieses Angebot gilt weiterhin fach- und abteilungsübergreifend, natürlich mit dem besonderen Fokus auf Mitarbeitende, die Covid-Patienten behandeln und pflegen. 

Eine Frau meditiert im Park.
Britt Schilling

Außerhalb der Arbeit aktive Auszeiten finden 

Doch was konnte die Arbeit Tanja Schmidt geben, was im privaten Kreis anders war? Sie reflektiert, dass sie ihr direktes Umfeld, also den Partner und die Kinder, schützen wollte. Natürlich gelte es auch, eine Art Covid-freie Zone zu schaffen. Die Erfahrungen, die sie in den Hochphasen der Pandemie täglich machte, gerahmt von der beschneidenden Situation des Lockdowns, waren sehr belastend und für Außenstehende schnell auch missverständlich. Demnach hat sie sich auch im Privatleben ein Ventil gesucht: Yoga. Obwohl Präsenzunterricht unmöglich war, begann sie mit Yoga-Stunden via YouTube. Dies brachte ihr in besonders stressigen Perioden die nötige Entspannung, sowohl körperlich als auch geistig. Nach wie vor schenkt Yoga ihr Kraft und sie will diesen positiven Effekt nicht mehr missen. 

Ins kalte Wasser

Wie haben – im Gegensatz zu erfahrenen Fachkräften – junge Berufseinsteiger die Pandemie erlebt, die eine vergleichbare Situation im Krankenhaus vorgefunden haben, und wie konnten sie trotz (über-)fordernder Aufgaben Kraft schöpfen? 

Dominik Fenske hat frisch nach seiner Ausbildung im April 2020 im St. Agatha Krankenhaus seinen Dienst als Krankenpfleger auf der Intensivstation begonnen. Was für ein Schock für den Berufseinsteiger! Durch Corona gab es keine Zeit, um sich „einzugrooven“, keine Möglichkeit, empfohlene Pflegestandards aus den Lehrbüchern anzuwenden.
 

Ein Pfleger lächelt in die Kamera und hat den Mundschutz heruntergezogen.
Britt Schilling

Der 31-Jährige beschreibt im Gespräch die erste Zeit als sehr intensiv, herausfordernd und beängstigend. Er musste sofort ran, denn jeder wurde gebraucht. Kein Kuschelkurs, sondern rein in den Schutzanzug und ran an den Patienten. Natürlich niemals allein, sondern unter sorgfältiger Beobachtung. Auf diese Weise war er direkt und vollends ins Berufsleben eingestiegen. Nur, dass es kein alltäglicher Einstieg war, sondern einer, der vom ersten Lockdown begleitet wurde und einem Virus, den es noch zu erforschen galt. 

Dominik Fenske erzählt von anfänglichen Phasen, in denen er viele Energydrinks trank, um sich täglich aufs Neue fit zu fühlen und bereit für den ganzen beruflichen Input zu sein. Natürlich haben die Energydrinks ihn nach kurzer Zeit nicht mehr fit gemacht, sondern eher dazu geführt, dass er sich überdreht fühlte.

Innerer Kraftantrieb durch Ernährungsumstellung

Eine Konsequenz und Lösung war für Dominik schnell gefunden. Er begann, gesund zu kochen und sich zu bewegen, um seinem Körper etwas Gutes zu tun. Tatsächlich merkte er nach bereits kurzer Zeit eine positive Veränderung. Parallel tauschte er sich in schwierigen Situationen mit dem Team und einer sehr guten Freundin aus, die ebenfalls im St. Agatha arbeitet. 

Heute sind wir stärker als je zuvor 

Und was hat die Pandemie mit dem St. Agatha Krankenhaus gemacht? „Die Corona-Zeit hat uns auf allen Ebenen gestärkt. Ob persönlich, fachlich oder gemeinschaftlich. Krisen meistern wir gemeinsam. Darauf bin ich sehr stolz und bedanke mich herzlich bei allen Mitarbeitenden für deren Loyalität, Einsatzbereitschaft und Herz“, resümiert Susanne Jost, Geschäftsführerin des St. Agatha Krankenhauses.  

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