Die britische Gesundheitsbehörde berichtete von zwei Anaphylaxie-Fällen bei Geimpften und gab eine zeitlich befristete Empfehlung heraus, Patienten mit schweren Allergien oder allergischen Schockreaktionen, den sogenannten Anaphylaxien, von der Impfung auszuschließen. Dies führte international zu vielen Unklarheiten. Daraufhin schlossen sich die in Deutschland zertifizierten Allergiezentren und ihre Partner zusammen und entwickelten eine Handlungsempfehlung, für welche Allergiker eine Testung vorab zu empfehlen sei. Niemand hatte zu diesem Zeitpunkt erwartet, dass die Nachfrage alle Kapazitäten sprengen würde. Die ohnehin unzureichenden allergologischen Ressourcen in Deutschland erwiesen sich als Dilemma.
Als einzige pneumologische Klinik mit einem Schwerpunkt für Anaphylaxien und Medikamentenallergien wurden auch wir im Severinsklösterchen jeden Tag neu herausgefordert. Unter den Betroffenen befanden sich verunsicherte Allergiker – Kollegen ebenso wie Patienten –, bei denen zwingend abgeklärt werden musste, ob eine Impfung dennoch infrage käme. Patientenorientiert entstanden unterschiedliche Angebote: eine telefonische Beratung, individuelle allergologische Testungen der Impfstoffe und ihrer Inhaltsstoffe und Impfungen nach Bestimmung der Antikörper unter Monitoring und stationärer Beobachtung.
Betroffene aus den eigenen Reihen
Letzteres kam zum Beispiel im Fall einer jungen Pflegedienstleitung eines Altenheims zur Anwendung. Diese wurde im Januar 2021 nach einer Corona-Impfung bewusstlos und anschließend intensivpflichtig überwacht, weil ihr Blutdruck niedrig blieb und eine Hautrötung beschrieben wurde. Bei der Testung zeigte sich weder auf den Impfstoff noch auf deren Inhaltsstoffe ein Hinweis auf eine Allergie. Am Monitor und unter Überwachung gaben wir der Patientin zunächst einen Bruchteil der Impfdosis, den diese ohne objektivierbare Symptome vertrug. Anschließend konnten wir die Impfung komplettieren und somit eine Allergie ausschließen.
In einem anderen Fall diagnostizierten wir vor einer Impfung eine Allergie auf Polyethylenglykol, einem Wirkstoffträger, der u. a. sowohl in Wundsalben als auch in den mRNA-Impfstoffen (Biontech, Moderna) vorkommt. Diese Patientin darf dementsprechend nicht mit einem mRNA-Impfstoff geimpft werden. Sie hatte Jahre zuvor auf eine Wundsalbe mit einer Anaphylaxie reagiert. Ihr Prick-Test in unserer Klinik zeigte eine positive Reaktion auf Polyethylenglykol. Mithilfe der durchgeführten allergologischen Diagnostik konnten wir auch in diesem Fall eine Anaphylaxie vermeiden.
Eineinhalb Jahre nach den ersten Anaphylaxien auf die Covid-19-Impfstoffe wissen wir nun, dass nicht jeder dem Paul-Ehrlich-Institut gemeldete Verdacht einer schweren allergischen Reaktion auch eine war und dass solche Anaphylaxien extrem selten sind: Ihr Anteil liegt laut Paul-Ehrlich-Institut bei weniger als 0,0005 Prozent aller erfolgten Covid-19-Impfung.
Lesen Sie dazu auch unsere Patienteninformation.